Mathias Furch hat 15 Jahre im Gesundheitswesen gearbeitet, viele davon auf Intensivstationen. Heute ist er Moderator und begleitet die erste SEBRACON durch das Programm. Im Gespräch erzählt er, wie ihn diese Erfahrungen geprägt haben, warum Sichtbarkeit für Seltene Erkrankungen so wichtig ist und welche Rolle Patienten dabei spielen sollen.
Herr Furch, Sie moderieren die erste SEBRACON. Wie kam es dazu?
Die Einladung hat mich sofort angesprochen, weil das Thema Seltene Erkrankungen mir sehr am Herzen liegt. Ich habe 15 Jahre im Gesundheitswesen gearbeitet, viele davon auf Intensivstationen. Dort habe ich Menschen in ihren verletzlichsten Momenten begleitet – in Phasen voller Hoffnung, aber auch in Zeiten des Abschieds. Diese Erfahrungen haben meinen Blick auf das Leben geprägt. Als Moderator habe ich nun die Möglichkeit, Betroffenen eine Bühne zu geben und ihre Stimmen hörbar zu machen. Das ist für mich eine sehr sinnvolle Aufgabe.
Welche Erfahrungen aus Ihrer Zeit im Krankenhaus nehmen Sie mit?
Es sind vor allem die Begegnungen mit den Menschen, die bleiben. Ich habe erlebt, wie Familien zwischen Angst und Hoffnung schwanken. Ich habe gespürt, wie groß das Vertrauen ist, das man Ärzten, Pflegern und Therapeuten entgegenbringt. Aber ich habe auch gesehen, wie schnell Patienten auf ihre Diagnose oder eine Fallnummer reduziert werden. Dabei sind es Menschen mit Geschichten, Träumen, Sorgen und einer beeindruckenden Stärke. Diese Erfahrungen haben mir Demut beigebracht. Sie haben mir gezeigt, wie wichtig es ist, jede Stimme zu hören, egal wie leise sie auf den ersten Blick erscheint.
Was bedeutet das für Ihre Rolle als Moderator?
Für mich ist entscheidend, nicht über Betroffene zu sprechen, sondern mit ihnen. Genau das macht die SEBRACON so besonders. Patientinnen und Patienten, Angehörige, Selbsthilfegruppen, Ärztinnen, Forscher und Vertreter der Industrie kommen hier zusammen. Es geht darum, auf Augenhöhe zu diskutieren. Jeder Beitrag ist wichtig, jede Stimme zählt. Ich sehe meine Aufgabe darin, diesen Stimmen Raum zu geben, sie zu verstärken und den Austausch in eine konstruktive Richtung zu lenken. Ich möchte, dass Betroffene spüren: Hier sind wir nicht Statisten, hier sind wir die Hauptpersonen.
Sie betonen die Sichtbarkeit. Warum ist das so wichtig?
Seltene Erkrankungen werden im Alltag oft übersehen. Viele kennen den Rare Disease Day, doch danach verschwindet das Thema häufig wieder aus der Öffentlichkeit. Das ist schade, denn Betroffene und ihre Familien leben 365 Tage im Jahr mit den Herausforderungen. Ohne Sichtbarkeit fehlt das Verständnis in der Gesellschaft. Aber auch im Gesundheitssystem hat es Folgen: Wer nicht gesehen wird, bekommt oft weniger Ressourcen, weniger Forschung, weniger Unterstützung. Sichtbarkeit schafft Aufmerksamkeit. Und Aufmerksamkeit führt zu mehr Wissen, mehr politischem Druck, mehr Innovation. Deshalb sage ich: Sichtbarkeit ist kein Luxus, sondern essenziell. Und sie muss jetzt passieren, nicht irgendwann.
Was erwarten Sie sich konkret von der SEBRACON?
Ich wünsche mir, dass Menschen mit seltenen Erkrankungen an diesem Tag im Mittelpunkt stehen. Dass ihre Geschichten gehört werden und dass wir einen Dialog erleben, der über den Tag hinaus wirkt. Ich hoffe auf inspirierende Begegnungen, neue Perspektiven und darauf, dass Betroffene spüren: Sie sind nicht allein. Wenn es gelingt, ein Stück Gemeinschaft und Mut mitzugeben, dann hat sich der Tag gelohnt. Gleichzeitig sehe ich die SEBRACON als Chance, Akteure aus Medizin, Politik, Forschung und Selbsthilfe enger zu vernetzen. Nur gemeinsam können wir Veränderungen anstoßen.
Wie erleben Sie persönlich den Austausch mit Patientinnen und Patienten?
Als unglaublich bereichernd. Oft höre ich Geschichten voller Kraft und Optimismus, trotz schwieriger Umstände. Diese Offenheit ist ein Geschenk. Sie zeigt mir, wie wichtig Teilhabe ist. Betroffene wollen nicht nur Zuhörer sein, sie wollen mitgestalten. Das gilt für medizinische Entscheidungen genauso wie für gesellschaftliche Fragen. Deshalb finde ich es so wertvoll, dass die SEBRACON Raum für diesen Austausch schafft. Und es zeigt mir auch: Wir können als Gesellschaft viel lernen von der Stärke, mit der Menschen mit Seltenen Erkrankungen ihren Alltag bewältigen. Manche Betroffene erzählen mir, dass sie oft jahrelang auf eine Diagnose gewartet haben. Diese Odyssee ist kräftezehrend, körperlich und seelisch. Aber gerade aus diesen Erfahrungen entsteht auch ein unglaubliches Wissen, das wir ernst nehmen und nutzen sollten.
Zum Abschluss: Was möchten Sie den Besucherinnen und Besuchern mitgeben?
Ich freue mich auf einen Tag voller Dialog, Begegnungen und Gemeinschaft. Seltene Erkrankungen dürfen nicht länger im Schatten stehen. Jede Geschichte zählt, jede Stimme macht einen Unterschied. Wenn wir gemeinsam zuhören, voneinander lernen und uns gegenseitig stärken, können wir etwas bewegen. Ich hoffe, dass alle Teilnehmenden am Ende des Tages das Gefühl mitnehmen: Wir sind nicht allein – und gemeinsam sind wir stärker.
Das Interview führte Leonie Zell